Magnetoresistive Sensoren

Magnetoresistive Sensoren

Bei magnetoresistive Effekten handelt es sich im Allgemeinen um sämtliche Effekte, bei denen sich der elektrische Widerstand auf Grund eines Magnetfeldes und dessen Anlegen ändert. Obwohl dieser Effekt bereits im 18. Jahrhundert bekannt und weitesgehend erforscht war, konnte dieses Wissen erst in der 60er Jahren in der Technik angewendet werden. In Bereich der Sensorik wurde dies sogar erst in den 80er Jahren durch den AMR Sensor ermöglichlicht.

 

Magnetoresistiver Effekt (MR-Effekt)

Ferromagnetische Materialien bestehen aus kleinen Bereichen, auch ‚Weißsche Bezirke‘ genannt, in denen sich ohne Einwirkung eines äußeren Feldes spontane Magnetisierungen ausbilden. Die Ausrichtung der unterschiedlichen magnetischen Orientierungen der Bereiche erfolgt jedoch so, dass das Material einen energetisch minimalen Zustand annimmt. Alle Magnetisierungen der Bereiche bilden nach Außen eine gesamte Magnetisierung M, deren Richtung durch die Kristallstruktur, die Herstellungsbedingungen und die Geometrie des Materials bestimmt wird (nach Elbel, S. 126-128).

Abbildung 1: Weißsche Bezirke

Anisotroper magnetoresistiver Effekt (AMR-Effekt)

Der anisotrope Magnetoresistive Effekt (AMR-Effekt) ist in ferromagnetischen Materialien, wie Eisen, Nickel und Kobalt, beobachtbar. Der spezifische Widerstand r dieser Materialien ist abhängig vom Winkel j zwischen Strom I und Magnetisierung M. Sind die Richtungen von Strom und Magnetisierung parallel, ist der Widerstand r maximal (max), stehen die Richtungen von Strom und Magnetisierung senkrecht aufeinander, ist r minimal (min).

MR-Schicht mit Strom I und Magnetisierung M

Die maximale Widerstandsänderung bezogen auf den Widerstand max wird als MR-Koeffizient kMR bezeichnet. Der MR-Koeffizient ist materialabhängig (0.1% < kMR < 5%) und stark temperaturabhängig. Bei dem häufig verwendetem Material Ni81Fe19 (Permalloy) beträgt kMR » 3%.

 

 

Grundelemente der MR-Sensoren

Im folgenden werden einige Grundelemente beschrieben, die bei magnetoresistiven Sensoren immer wieder verwendet werden.

MR-Schicht

Um den anisotropen magnetoresistiven Effekt in der Messtechnik anwenden zu können, verwendet man dünne ferromagnetische Schichten - vorwiegend aus Nickel-Eisen-Legierungen (NixFe100-x; x » 80...90). Solche Legierungen werden auch als Permalloy-Legierungen bezeichnet. (nach Elbel S.129).

 

Dünnen Schichten entstehen durch Aufdampfen oder "Sputtern" der Legierung auf einen Träger (typisch wird ein Silizium-Wafer eingesetzt) und haben eine Dicke zwischen 30 nm und 50 nm. Während der Herstellung wirkt ein externes Magnetfeld auf die sich bildenden Schichten, wodurch deren Magnetisierung in eine Vorzugsrichtung (auch ‚easy axis’ genannt) ausgerichtet wird. Die Vorzugsrichtung entspricht der Richtung des extern angelegten Magnetfeldes. Senkrecht zur ‚easy axis‘ befindet sich die ‚hard axis‘.

 

In Abbildung 3 wurde ein Koordinatensystem so eingeführt, dass die MR-Schicht in der x-y-Ebene liegt und die Magnetisierung M der MR-Schicht bei Fehlen eines externen Magnetfeldes in x-Richtung zeigt. Durch ein externes Magnetfeld wird die Richtung der Magnetisierung M beeinflusst, der Betrag M ändert sich nicht.

Wird ein ausreichend großes Magnetfeld Hx in x-Richtung entgegen der aktuellen Magnetisierungsrichtung angelegt (|Hx|>Hc), klappt die Magnetisierung spontan um. Die Magnetisierung hat also keinen Anteil in y-Richtung (My=0). Der Betrag der Magnetisierung M entspricht der Sättigungsmagnetisierung Ms  (vgl. Abbildung 4).

Wird ein Magnetfeld Hy in y-Richtung angelegt, dreht sich die Magnetisierung M in der x-y-Ebene. Der Betrag der Magnetisierung My in y-Richtung steigt linear an, der Betrag Mx nimmt ab (Abbildung 5).

Ein Magnetfeld in z-Richtung hat keinen Einfluss auf die Richtung der Magnetisierung M.

 

Die Anisotropiefeldstärke der MR-Schicht Hk entspricht der Feldstärke, die benötigt wird, um die Magnetisierung M auf von =0° auf =90° zu drehen.

Die Koerzitivfeldstärke Hc ist die Feldstärke, die benötigt wird, um die Magnetisierung von =0° auf 180° umzuklappen.

 

Der AMR-Effekt kann durch folgende ineinander überführbare Gleichungen beschrieben werden:

max - sin2(),                                                         (1.1)

min  + cos2(),                                                                  (1.2)

m     + cos(2).                                                            (1.3)

Der Funktionsverlauf ist für 0° <= <= 360° in Abbildung 6 dargestellt. Es handelt sich um eine periodische Funktion mit der Periode p. Dabei sind max der maximale spezifische Widerstand, min der minimale spezifische Widerstand, m=(max+min)/2 der mittlere spezifische Widerstand und =max-min die maximale Widerstandsänderung.

Typische Werte von MR-Schichten

Sättigungsmagnetisierung Ms

1000 kA/m

Anisotropiefeldstärke Hk

0.2 kA/m

Koerzitivfeldstärke Hc

0.1 kA/m

Schichtdicke t

  1. nm

 

 

MR-Streifen

Im folgenden wird ein langer, dünner Streifen mit der Dicke t << Breite w << Länge l betrachtet (Abbildung 7). Die Streifenlängsrichtung entspricht der x-Richtung und ist gleichzeitig die ‚easy axis‘.

 

Schematische Darstellung eines MR-Streifens

 

In einem dünnen Streifen liegt die Magnetisierung M immer in der Schichtebene. In einem langen Streifen richtet sich die Magnetisierung durch die Formanisotropie selbst in Streifenlängsrichtung aus.

 

Durch die Formanisotropie erhält man, wenn kein äußeres Feld anliegt, einen definierten Ausgangszustand. Es sind jedoch zwei Ausrichtungen für M möglich (=0° und =180°). Wurde die Magnetisierung durch ein starkes externes Feld H ausgelenkt, wird der Ausgangszustand ohne Feld nicht immer erreicht (Umklappen der Magnetisierung).

 

Liegt ein äußeres Feld H an, dreht sich die Magnetisierung in der Schichtebene. Der Drehwinkel wird durch die Feldkomponenten Hx und Hy bestimmt. Es gilt:

Hx/H0 tan  +sin  –Hy/H0=0.  (2)

Diese Gleichung kann nur unter der Bedingung Hx=0 nach dem Winkel aufgelöst werden.

In der Anisotropiefeldstärke H0 ist die Geometrie des MR-Materials berücksichtigt. Unter den Bedingungen, dass die Streifenlängsrichtung die ‚easy axis‘ ist und die Länge des Streifens viel größer ist als die Breite und die Dicke. (l >>w>>t), gilt:

H0=Hk+Hf=Hk+t/w Ms.

Die Anisotropiefeldstärke des Streifens H0 setzt sich also zusammen aus der Anisotropiefeldstärke der MR-Schicht Hk und der Formanisotropie Hf.

 

Rechenbeispiel

Mit einer Sättigungsmagnetisierung Ms=1000 kA/m, der Streifendicke t=20 nm und der Anisotropiefeldstärke der MR-Schicht Hk=0.2 kA/m ergeben sich folgende Anisotropiefeldstärken des MR-Streifens:

w=5µm                      ->         H0=4.2 kA/m

w=10µm                    ->         H0=2.2 kA/m

w=20µm                    ->         H0=1.2 kA/m

w=100µm      ->         H0=0.4 kA/m

Fließt der Strom in Streifenlängsrichtung, kann der spezifische Widerstand  in den Gleichungen (1) durch den Widerstand R ersetzt werden:

R()= Rmax - D R sin2(),

R()= Rmin + D R cos2(),                (3)

R()= Rm + DR/2 cos(2),

mit dem maximalen Widerstand Rmax, dem minimalen Widerstand Rmin, dem mittleren Widerstand Rm=(Rmax+Rmin)/2 und der maximalen Widerstandsänderung DR=Rmax-Rmin.

Der Verlauf der Funktion R() für 0°<=<=360° ist in Abbildung 8 dargestellt. Man erkennt, dass sich der Widerstand R mit dem doppelten Winkel 2 um einen mittleren Widerstand Rm ändert.

Abbildung 8: Verlauf der Funktion R() für 0° <= <= 360°

<h3>Kennlinie R(Hy) eines MR-Streifens</h3>

Die Gleichungen für die theoretische Kennlinie eines MR-Streifens ergeben sich aus den Gleichungen (2) und (3) mit Hx=0 zu:

R(Hy)= Rmax - D R (Hy/H0 )2                                      für Hy <= H0

R(Hy)= Rmin                                                                                für Hy >   H0.

Für Hy=0 ist der Widerstand maximal. Mit steigendem Hy nimmt der Widerstand ab, bis er bei |Hy |=H0 sein Minimum erreicht. Eine weitere Erhöhung des Feldes hat keinen Einfluss auf den Widerstand. 

Die Kennlinie ist nichtlinear und nicht eineindeutig. Die Richtung des Magnetfeldes kann nicht bestimmt werden. Die Empfindlichkeit des MR-Streifens bei kleinen Feldstärken geht gegen Null (Die Steigung bei Hy=0 ist Null.)

 

Theoretische Kennlinie eines MR-Streifens

Unter realen Bedingungen tritt eine  Feldkomponente in x-Richtung auf. Diese führen zu einer ‚Verrundung‘ der Kurven. Je größer das Feld Hx, desto flacher verlaufen die Kurven bei großen Feldern Hy.

In Abbildung 10 sind die Widerstandskennlinien eines MR-Streifens bei verschiedenen Feldern Hx dargestellt. Für die Simulation wurden folgende Werte verwendet: Rmax=100W , DR=3W, Ms=1000kA/m, t=27nm, Hk=0,2kA/m,  Streifenrichtung: 0°.                      

Kennlinien eines MR-Streifens bei verschiedenen Feldern

 

Temperaturabhängigkeit

Der Widerstand R und die maximale Widerstandsänderung DR sind temperaturabhängig. Die Temperaturabhängigkeit kann in Näherung als linear angesetzt werden:

R(T)=R25 (1+Tk,R DT)

DR(T)= DR25 (1+Tk, DR DT),

mit dem Widerstand R25 bei Raumtemperatur, dem Widerstandshub DR25 bei Raumtemperatur und den

Koeffizienten Tk,R  und Tk, DR. Der Widerstand R(T) wird mit steigender Temperatur größer, DR(T) sinkt mit steigender Temperatur. Damit erhält man für den MR-Koeffizienten DR(T)/R(T) ein nichtlineares Verhalten (vgl. Abbildung 11 und Abbildung 12). Für die Simulation des Temperaturverhaltens wurden folgende Werte angenommen: R25=100W, DR25=3W, Tk, R =0.0035, Tk, DR =-0.001.

 

Abbildung 11: Simulation des Temperaturverhaltens des MR-Koeffizient

 

Abbildung 12: Simulation des Temperaturverhaltens des MR-Koeffizient, normiert auf R25

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

MR-Streifen mit Barberpolen

Die Empfindlichkeit eines MR-Streifens bei kleinen Feldstärken geht gegen Null. Eine günstigere Kennlinie R(H) für kleine Felder ergibt sich, wenn der Winkel zwischen dem Strom I und der Magnetisierung M bei fehlendem externen Feld 45° ist. Dies entspricht einer Verschiebung des Arbeitspunktes.

Da die Magnetisierung M durch die Formanisotropie in Streifenlängsrichtung festgelegt ist, kann eine   Veränderung des Winkels zwischen I und M nur durch Änderung der Stromrichtung erfolgen. Dazu werden auf dem MR-Streifen  hochleitende Kurzschlussstreifen (zumeist aus Aluminium) angebracht, die um 45° bzw. -45° zur Streifenlängsrichtung verdreht sind. Diese Streifen werden auch Barberpole genannt. Der spezifische Widerstand des MR-Materials MR ist wesentlich größer als der der Barberpole Al. Die MR-Schicht ist zudem viel dünner als die Kurzschlussschicht. Der Gesamtwiderstand eines MR-Streifens mit Barberpolen ist dann minimal, wenn der Strom auf kürzestem Weg durch die MR-Schicht fließt. Abbildung 13 zeigt die schematische Darstellung eines MR-Streifens mit Barberpolen, für Abbildung 14 ist der Stromverlaufe in solch einem MR-Streifen simuliert worden.

 

Schematische Darstellung eines MR-Streifens mit Barberpolen

Simulation des Stromverlaufes in einem MR-Streifen mit Barberpolen

 

Kennlinie R(Hy) eines MR-Streifens mit Barberpolen

Die Widerstandsgleichung R() kann aus den Gleichungen (1) mit q° hergeleitet werden.

Aus R()=Rmax - D R sin2() folgt mit q°

R()=Rm -D R/2 sin(2q).

Damit ist die theoretische Kennlinie eine MR-Streifens mit Barberpolen ohne Hilfsfeld (Hx=0) durch folgende Gleichung beschrieben:

R(Hy)= Rm - D R Hy/H0 sqrt(1-(Hy/H0)2)  für Hy <= H0

R(Hy)= Rm                                                                      für Hy >   H0

Für kleine Felder H ist die neue Kennlinie (vgl. Abbildung 15) linear.

[Ableitung:

R()=Rm -D R/2 sin(2q)

R()=Rm -D R sin(q)cos(q)

Aus Gleichung (2) [in Gleichung 2 ist aber hier qsin q=Hy/H0

R()=Rm -D R Hy/H0 sqrt(1-sin^2(q))

R()=Rm -D R Hy/H0 sqrt(1-(Hy/H0)^2)]

 

Unter realen Bedingungen tritt eine Feldkomponente in x-Richtung auf, bzw. werden bei MR-Streifen mit Barberpolen definierte Stützfeldern in x-Richtung verwendet. In Abbildung 16 sind Widerstandskennlinien von einem MR-Streifen mit Barberpolen bei verschiedenen Stützfeldern Hx dargestellt. Für die Simulation wurden folgende Werte verwendet: Rmax=100 W, DR=3 W, Ms=1000 kA/m, t=27 nm, Hk=0,2 kA/m,  Streifenrichtung: 0°. Man erkennt, dass Rmax und Rmin bei größeren Feldern Hx weiter nach außen ‚wandern‘.

Kennlinie eines MR-Streifens mit Barberpolen und verschiedenen Hilfsfeldern