Klares Design für klare Linien

Klares Design für klare Linien

 

Neben den offensichtlichen ästhetischen Gesichtspunkten können klare Linien auch für hygienische Designlösungen, die für viele Branchen besonders wichtig sind, eine große Rolle spielen. Heiko Luckhaupt von RS Components beschreibt, worauf Entwickler bei Designs für die Lebensmittel- und Getränkeindustrie sowie für die Bereiche Pharmazie und Medizin achten müssen.

 

Hygienisches Design gilt als Grundvoraussetzung vieler Branchen und unterliegt auf nationaler und internationaler Ebene oftmals zahlreichen gesetzlichen Vorschriften sowie extrem strengen unternehmensinternen Standards und Vorgaben.

 

Für Maschinenentwickler spielt besonders die Erfahrung eine große Rolle für den Entwicklungsprozess, ebenso wie tiefgreifendes Verständnis der finalen Anwendung und der Grenzwerte, die diese Maschine einzuhalten haben wird. Hilfe finden sie jedoch auch bei Herstellern von Komponenten, Zusatzgeräten und Modulen, die mit den klaren Linien ihrer eigenen Lösungen zu eleganten Maschinendesigns beitragen können.

 

Der Begriff „hygienisches Design“ deckt eine Vielzahl an Definitionen und Vorgängen ab und richtet sich an die Entwicklung steriler, nicht-verunreinigender sowie abwaschbarer Lösungen - oder einer Kombination aus allen drei. Dabei liegt der wichtigste Punkt mit Sicherheit darin, die verwendeten Materialien festzulegen: Diese müssen ungiftig, glatt und nicht porös sein, sodass die üblichen Verdächtigen – wie in nahezu jeder sterilen Umgebung – oftmals Edelstahl und zahlreiche inerte Polymer-Varianten sind. Darüber hinaus müssen Entwickler auch Schmierstoffe, Dichtungen und Isoliermaterialien berücksichtigen um sicherzustellen, dass diese kein Verunreinigungspotenzial bieten.

 

Nach der Wahl des richtigen (bzw. am besten geeigneten) Materials geht es an das physische Design. Bei Metallkonstruktionen liegt das Hauptproblem in scharfen Kanten sowie in Schweißpunkten und -nähten, die ideale Rückzugsorte für Bakterien bilden oder als Auffangbecken verschiedenster Materialien dienen, die sich dort ansammeln können und dann nach einiger Zeit wieder in den Prozess gelangen. Aus diesem Grund zählen vollständig verschweißte Nähte sowie verschiedene Teile wie Schüsseln und Wannen heute zur Norm – hergestellt mit Techniken zur Blechumformung, die Verbindungsteile aller Art eliminieren. Selbes gilt für Kunststoffteile, die keinerlei Vertiefungen oder ähnliches enthalten dürfen, in denen sich Materialien ansammeln und Bakterien bilden können.

 

Vollständig Spritzer-freies Design ist nahezu unmöglich; aus diesem Grund haben diese Branchen derart strenge Reinigungsprozesse ausgearbeitet. So ist zum Beispiel in der Nahrungsmittelindustrie der Einsatz von brühend heißem Wasser mit hohem Druck und scharfen Reinigungsmitteln sehr weit verbreitet. Deshalb müssen Maschinenentwickler sicherstellen, dass die Maschinen, die sie entwickeln, diesen extremen Anforderungen standhalten können. Maschinen werden, je nach der Funktion des Equipments bzw. der Module, in der Regel beide Design-Extrema aufweisen: So sind die verschiedenen Schaltschränke bzw. E/A-Panels in einem vollständig abgedichteten Design gehalten, während der Rest der Maschine sehr offen und gut zugänglich gestaltet wird, damit sämtliche Bereiche bei Reinigungsarbeiten mühelos erreicht werden können. Dazu benötigt eine Maschine ein wirkungsvolles Abflusssystem und darf keinerlei horizontale Flächen aufweisen. Im Idealfall fallen alle Oberflächen zu einer Seite hin ab, weg von dem Bereich, in dem das Produkt verarbeitet wird.

 

Im Hinblick auf die abgedichteten Module wurde die branchenübergreifende IP-Klassifizierung um das Rating IP69K erweitert und deckt nun auch Reinigungsanwendungen mit hohem Druck und hohen Temperaturen ab. Dabei müssen Gehäuse mit einem Rating nach IP69K nicht nur staubdicht (IP6X) sondern auch in der Lage sein, Reinigungsarbeiten mit hohem Druck und Dampf stand zu halten. Nach der ursprünglichen Entwicklung für Straßenfahrzeuge, insbesondere für solche, die eine regelmäßige Reinigung erfordern, hält IP69K zunehmend Einzug in verschiedenste andere Branchen, darunter Nahrungsmittel und Arzneimittel.

 

Sobald die grundlegenden strukturellen und architektonischen Elemente des Designs festgelegt sind, können die feineren Details ausgearbeitet werden - darunter fällt auch die Spezifikation von Steuergeräten, Sensoren und Gehäusen. Mit Blick auf die wichtigsten Hilfskomponenten wie Gehäuse und ähnliches, gibt uns Rittal einen interessanten Einblick darüber, wie Spezialisten diese Designs angehen. Einfache Merkmale wie umschlossene innenliegende Scharniere, blau eingefärbte Silikondichtungen, offene Montagehalterungen und eine Neigung über die gesamte Oberfläche hinweg tragen allesamt zu einem insgesamt hygienischen Aufbau bei.

 

Bei den verschiedenen Komponenten sind Maschinenentwickler geradezu verwöhnt von der riesigen Auswahl und dem umfassenden Angebot an hochklassigen IP-Produkten – darunter auch Produkte mit IP69K Rating – von einer nicht minder hohen Anzahl verschiedenster Anbieter. Sensoren, darunter Näherungssensoren, optische Näherungsschalter und Licht-/Kontrast-Sensoren sind zum Beispiel bei Telemecanique, Pepperl+Fuchs, Omron, Turck Banner, Sick und Baumer erhältlich. Mit Druckschaltern kommen ABB und Eaton noch hinzu, sowie Schmersal für Not-Aus-Tasten. All diese Produkte müssen an einem Punkt entlang der Linie angeschlossen werden, sodass der Zugang zu dem Schaltschrank ebenso zu berücksichtigen ist wie die verschiedenen Leitungen, Kabelkanäle und ähnliche Hardware. Hierfür bieten WISKA, Adaptaflex und PMA eine ganze Reihe an Lösungen an.

 

Von Antriebsvorrichtungen wie Motoren und Kombinationen aus Motor und Getriebe ist das IP69K Rating nicht wirklich einzuhalten, obwohl sie „so robust wie möglich“ mit einer Edelstahl-Struktur und speziellen Kabeleingängen und elektrischen Panels gebaut werden. So verfügen sie zwar über relativ hohe IP-Ratings, können jedoch nicht aggressiven Reinigern ausgesetzt werden wie ihre IP69K-klassifizierten Pendants – ein weiterer Punkt, der bei der Entwicklung berücksichtigt werden muss.

 

Wie bereits zuvor erwähnt, müssen nicht alle Komponenten ein IP69K-Rating aufweisen; sie müssen lediglich aus Materialien gefertigt sein, die sich am besten für den Einsatz in der Nähe von reinigungsintensiven Bereichen eignen. Aus diesem Grund wird besonders Edelstahl ausgesprochen häufig für einfachere Komponenten eingesetzt - von Schiebern und Toren über ganze Fördersysteme bis hin zu Bildschirmen von Mensch-Maschinen-Schnittstellen und Gehäusen für Industrie-Computer. Auch wenn sie nicht direkt abgewaschen werden müssen, werden sie doch in direkter Nachbarschaft entsprechender Bereiche angebracht und müssen somit zumindest ein Mindestmaß an Widerstandsfähigkeit gegenüber einer gewissermaßen feindlichen Umgebung aufweisen.

 

Hygiene und die damit verbundenen Sicherheitsfaktoren werden von einer ganzen Reihe nationaler und internationaler Gesetze und Vorschriften abgedeckt, die wiederum oftmals einen guten Anhaltspunkt bezüglich der primären Anforderungen liefern. So müssen Entwickler eine Unmenge an Standards und Vorgaben einhalten, darunter EN 1672-2:2005 „Nahrungsmittelmaschinen/Allgemeine Gestaltungsleitsätze/Teil 2: Hygieneanforderungen“, EN ISO 14 159 2004 „Sicherheit von Maschinen – Hygieneanforderungen an die Gestaltung von Maschinen“ sowie das Dokument 13 EHEDG „Hygienische Gestaltung von offenen Maschinen, Geräten und Bauteilen zur Verarbeitung von Nahrungsmitteln“, ausgearbeitet in Zusammenarbeit mit 3-A und NSF International. Zu den jeweiligen EU-Richtlinien zählen 852/2004 über Lebensmittelhygiene, 853/2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs und 1935/2004 über Materialien und Gegenstände, die dazu bestimmt sind, mit Lebensmitteln in Kontakt zu kommen.

 

Die Gestaltung hygienischer Anlagen mag schnell wie eine Art Zauberei erscheinen, in vielen Fällen gehen die verschiedenen Lösungen jedoch einfach auf gesunden Menschenverstand mit einer Prise Wissen über Wasser und den Fluss von Partikeln zurück. Zugegeben, viele der besten und wirkungsvollsten Designs sind das Ergebnis jahrelanger Erfahrung, doch auch neu gestaltete Lösungen können sich dank der Hilfe und der Verfügbarkeit geeigneter Produkte von einer Vielzahl an Herstellern großer Beliebtheit erfreuen. Dabei werden die meisten auch mit weiterführenden Hintergrundinformationen aufwarten können, die spezielle Überlegungen und Konzepte und sogar branchenspezifische Schwachstellen und Besonderheiten berücksichtigen.